Du bist, was du siehst!

von | 18.02.22 | Job & Karriere

Plötzlich Führungskraft, auweia. Von jetzt auf gleich alles entscheiden? Alles verantworten? Alles richtig machen? Und dafür Sorge tragen, dass alle mitziehen und hinter dir stehen? So sieht es wohl in der Praxis oft aus, nur allzu gern wird die neue Führungskraft meist ins sogenannte kalte Wasser geworfen. Und ja, es nützt da nichts, zu jammern oder sich zu beschweren. Oder ständig um etwa Nachsicht oder Verständnis zu bitten, wenn es mal nicht so läuft.

Da heißt es nur und viel besser: planvoll in die Offensive gehen! Lerne hier die 6 Stolpersteine einer Newcomer-Führungskraft kennen, und lerne vor allem, sie zu vermeiden.

100 Tage oder was?

Für den erfolgreichen Einstieg in deine Führungsposition, in den Chef-Sessel, musst du sicher kämpfen. Bei allem Respekt und Verständnis für die Herausforderungen des Alltags in deinem Unternehmen, in deiner Abteilung, deinem Projekt oder deinem Team: deinen Einarbeitungsplan solltest du immer beachten und auch einfordern. Einfordern nicht im Sinne von „ich bestehe drauf“ oder “ es ist mein gutes Recht“ usw., nein. Vielmehr geht es wieder einmal auch um Achtsamkeit, heißt, auch wenn großer Druck auf dich ausgeübt wird seitens der nächsthöheren Führungsebene, auch wenn es wirklich an allen Seiten kracht und brennt, du kannst es nicht allein, du kannst es auch nicht sofort schaffen, und, du kannst es auch nicht an allen Fronten gleichzeitig schaffen. Denn das kann niemand, und es kann auch niemand ernsthaft von dir verlangen.

Was aber ernsthaft von dir verlangt und erwartet wird, ist, Führungskraft zu sein. Und das bedeutet: Führung denken, Führung umsetzen, Führung reflektieren, Führung kommunizieren, Führung weiterentwickeln.

Die ersten 100 Tage – das ist diese beflügelte Phrase, aber in etwa so viel Zeit bedarf ein solider und zukunftsträchtiger Einstig wohl; ein Einstieg, bei dem du nicht nur alle mitnimmst, sondern vor allem auch dir selbst treu bleiben kannst, dich nicht überrumpeln lässt und du dich gar total selbst überforderst. Diese ersten 100 Tagen also solltest du als neue Führungskraft in vier Phasen einteilen, nicht starr nach Vorgabe, aber dennoch klar. Zunächst gibst du deinen Mitarbeiter:innen Orientierung, dann legst du Ziele fest und setzt diese Ziele um. Schließlich reflektierst du dein eigenes Führungsverhalten. So der Grundsatz ganz grob. Mach dir also einen Plan, und zwar jetzt, ganz zu Beginn, den du agil anpassen darfst und kannst, der aber einen klaren roten Faden aufweist.

Spannungen vorprogrammiert

Führungskräfte stehen immer im Spannungsfeld verschiedener Erwartungen seitens der Mitarbeiter, seitens der Geschäftsleitung, der Geschäftsführung, von Seiten der Kollegen und Kunden und anderen Geschäftspartnern. Gerade, und ganz sicher noch mehr, sind diese Spannungen vorprogrammiert, wenn die gerade von dir eingenommene Führungsposition keine langjährige Besetzung hatte und nicht in einer Führungshand war, also immer wieder wechselnd besetzt wurde. Und, wenn insgesamt im Unternehmen Umstrukturierungen und Veränderungsprozesse das Leben aller schwer machen. Gerade dann, und gerade deswegen solltest du die ersten 100 Tage strukturiert angehen, das eigene Handeln planvoll steuern und laufend kritisch bei dir selbst und bei deiner Führungsebene hinterfragen.

Führung erfordert Flexibilität, ein ausgewogenes Maß an Eigenschaften wie Offenheit, Sachlichkeit, Emotionalität und ein berechenbares, konsequentes und authentisches Handeln. Und hey, hier steht berechenbar, nicht berechnend, das wird schnell überlesen und falsch gedeutet.

Das ist in einer neuen Umgebung oder auch in einer neuen Funktion nicht immer ganz einfach. Zumal oft auch vertraute Feedback-Instanzen fehlen. Zum Thema Feedback gibt’s separate Artikel in diesem Blog, schau einfach unter deinem Suchbegriff nach.

Die 6 größten Stolpersteine

Neue Führungskräfte wollen auch immer gern frischen Schwung in die Bude bringen! Das aber funktioniert nur, wenn die Belegschaft mitzieht. Wenn es gelingen soll, vermeide als neu:e Chef:in dies:

  1. Stolperstein: Aktivismus
    Zu Beginn bist du als neu:e Chef:in bestimmt etwas unsicher, ohne dass du es dir klar eingestehst. Damit geht jede:r unterschiedlich um: die einen sind übertrieben streng, und wollen sich so Respekt verschaffen. Die anderen sind zu nett, und wollen durch Freundlichkeit das Team hinter sich und die Entscheidungen bringen. Und dann git es noch die, die ihre Unsicherheit überspielen, indem sie gleich von Beginn an „alles umkrempeln“, und damit ein Zeichen setzen wollen. So umgesetzte Neuerungen und Umstrukturierungen erweisen sich aber nachträglich oft als Flop weil nicht durchdacht. Es schadet also nicht, die Unsicherheit auch mal einzuräumen, zuzugeben, dass du mal etwas nicht weißt, und du dich erst schlau machen musst. Das gilt für Fakten, das gilt für Abläufe. Du bist zu Beginn auf den Goodwill deiner Leute angewiesen – ja! Das wissen auch alle. Sich so zu verhalten zeigt nicht etwa Führungsschwäche, sondern es schafft im Gegenteil Vertrauen, wenn man offen und ehrlich ist. Nur kommt es eben auf die Sprache an, auf die Art und Weise, wie du dich von deinem Team unterstützen lässt: nicht zu dominant, zu fordernd, zu streng – aber auch nicht zu nett, nicht anbiedernd. Im Coaching unterstütze ich jede:n neue:n Chef:in!

  2. Stolperstein: Vorgesetzte:r
    Gleich in den ersten Tagen im neuen Job, in der neuen Position solltest du dir ein Bild von der genauen Ist-Situation machen, in Bezug auf deine nächsthöhere Führungskraft. Beschreibe dann das Verhältnis zwischen dir und deiner Führungskraft, und setzte dir Ziele für die Verbesserung. Beschreibe auch genau, wie du dabei vorgehen willst.

    Stell dir u. a. diese Fragen:
    – wie und in welcher Form arbeitet ihr faktisch-praktisch zusammen, so Tag für Tag?
    – was brauchst regelmäßig von ihr oder ihm, und wann ist ‚regelmäßig‘? und umgekehrt?
    – wie siehst du die Arbeit deiner Führungskraft und wie schätzt du ihr oder sein Verhalten ein?
    – wie viel Unterstützung glaubst du erwarten zu dürfen?
    – wie willst du dafür sorgen, dass deine Führungskraft deine Arbeit wertschätzt und anerkennen wird? Wie also willst du sie oder ihn davon überzeugen, dass du genau die richtige Besetzung bist?

  3. Stolperstein: Einstellung und Einfluss von Kolleg:innen
    Mach dir auch hier gleich zu Beginn in der Orientierungsphase ein Bild davon, wer sich noch so in den diversen Führungspositionen und -ebenen tummelt:
    – wer sind deine möglichen Befürworter und wer die möglichen Gegner?
    – wie ist die Macht in diesem Unternehmen verteilt, in der Geschäftsleitung und unter den anderen Führungskräften?
    – welche Angebote kannst du machen, ohne dich anzubiedern oder andere Führungskräfte zu übervorteilen bzw. zu überfordern?
    – welche Unterstützung kannst du einfordern, ohne zu forsch oder frech zu sein?
    – wer profitiert von deiner Position, wer könnte eher einen Nachteil haben oder sich auch nur benachteiligt fühlen und deswegen boykottieren?

  4. Stolperstein: Sandwich-Position
    Mach dir bewusst, wer was von dir erwarten und verlangen darf oder wird. Du musst das eigenen Team ja so führen, dass die vorgegebenen Ziele erreicht werden, musst aber gleichzeitig dafür sorgen, dass die Mitarbeiter:innen motiviert bleiben. Dann musst du dich gegen die Führungskräfte der anderen Abteilungen, Bereiche oder Projekte behaupten und die eigenen Interessen geschickt vertreten. Welche Kompromisse und welche Bündnisse kannst du dir da vorstellen? Und was geht gar nicht deiner Meinung nach? Last but least, als neue:r Chef:in bist du Ansprechpartner:in für das Top-Management, und du musst auch deren Interessen, Ziele und Strategien umsetzen, denn du wirst auch für die Ergebnisse verantwortlich gemacht.

    Da du dich nicht teilen kannst, werde dir deiner Sandwich-Position bewusst und plane bzw. handle planvoll.

  5. Stolperstein: Aufgaben im Führungsalltag
    Deine Stellenbeschreibung weist eine Fülle von Aufgaben aus, aber irgendwie sind sie auch nur umrissen darin ausgewiesen. Was steckt genau hinter den ‚Phrasen‘ in der Stellenbeschreibung, was weißt du wirklich darüber? Was ist wichtig, was dringend, was kurz- und was mittelfristig oder gar langfristig zu sehen, wie sollst du die Prioritäten setzen? Wie lief es denn überhaupt bisher ohne dich genau im operativen Alltag ab? Setzt dich also hin, und fülle die Aufgabenbeschreibung mit Inhalt und Leben, mit den tatsächlichen ToDo’s. Mit den Aufgaben, die täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich oder wie auch immer und in welchem Turnus auch immer zu erfüllen sind.

    Dieser Stolperstein könnte auch heißen: einfach rein in den Job, und machen, was kommt. Du vermeidest ihn besser.

  6. Stolperstein: Ziele umsetzen
    Du bekommst Ziele von deiner Führungskraft, und du gibst Ziele deinen Mitarbeiter:innnen vor. Gerade als neue:r Chef:in kannst du bei deiner Mannschaft noch nicht auf die guten Beziehungen bauen und auf das erarbeitete Vertrauen zu ihnen und von ihnen dir gegenüber. Das heißt, dass das Team einfach so dir zuliebe mitmacht und mitzieht, ist eher unwahrscheinlich. Es ist Klarheit und Transparenz bei der Vermittlung deiner Ziele umso wichtiger, und auch gut begründete Ziele setzen Mitarbeiter:innen eher mit um. Aber auch deine Führungskraft steht vor dieser Herausforderung: auch sie oder er kann nicht auf die gute Beziehung und gemeinsame Erfahrungen bauen, und auch sie oder er kann nicht hoffen, dass du einfach blind mitmachst, ohne zu Hinterfragen.

    Du hast bestimmt schon viel über Ziele und Ziele setzen gelesen, und dabei auch das SMART-Prinzip schon mal gehört. SMART steht für klare Kriterien bei der Festlegung von Zielen: s = spezifisch, m = messbar, a = attraktiv, r = realistisch und t = terminiert. Hierzu gibt es unter dem Stichwort SMART einen eigenen Artikel.

    Setze deine Zielformulierungen nach diesem Prinzip, und erläutere es deinen Mitarbeiter:innen. Bei deiner Führungskraft frag einfach nach, egal zu welchem der SMART-Teile du Fragen hast oder möglicherweise etwas kritisch siehst. Überhaupt, ist das Nachfragen gleich zu Beginn besonders wichtig für den Beziehungsaufbau nach oben wie nach unten in der Hierarchie.

    Merke: du kannst nur die Erwartungen auch erfüllen, die du genau kennst.

Die Grundlage von allem ist strategische und führungsreife Kommunikation. Auch zum Thema Kommunikation findest du mehr in diesem Blog.

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